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Deutscher Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V.

DHV

Am 8.Juni 07, gegen 17.00 Uhr, kam es im spanischen Fluggebiet Sierra de Lijar, Algodonales zu einem tödlichen Gleitschirmunfall.

Pilot
47-jähriger Deutscher, Volker S. GS-Fluglizenz seit 2000, weit überdurchschnittlich viele Flüge. Mehrjährige Erfahrung mit Leistungsschirmen. Das Fluggebiet war ihm gut bekannt.

Wetter
Schwache Soaringbedingungen mit eingelagerter Thermik. Wind lt. Flugaufzeichnung 8-13 km/h meist aus West. Max. Steigwerte während des gut halbstündigen Fluges ca.3 m/s, Sinkwerte max. – 4 m/s.

Fluggerät
Nova RA M, DHV 2, Stückprüfdatum 5/07, Produktion: 1/07. Der Pilot flog im unteren Bereich des zugelassenen Gewichtsbereichs.

Ablauf des Unfalls
Volker war bereits ca. 30 Minuten in der Luft, hatte dabei gut 400 m Höhe gemacht und war anschließend wieder bis auf etwa 100 m über den Startplatz gesunken. Ein Augenzeuge, der sich unweit von Volker mit seinem Gleitschirm in der Luft befand, berichtete, dass sich Volkers Gleitschirm kurz darauf in einem sackflugähnlichen Zustand befand und schnell senkrecht sank, dabei leicht gierend und rollend. Einen den Sackflug/Strömungsabriss initiierenden Flugzustand hat er nicht beobachtet. Er nahm den Schirm erst wahr, als dieser sich bereits in dem sackflugähnlichen Zustand befand. Sowohl Volker als auch der Augenzeuge befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einem Abwindbereich mit erhöhtem Sinken und leichten Turbulenzen. Der Gleitschirmflieger beobachtete weiter, dass der Sackflug/Strömungsabriss bis kurz über Grund andauerte. Anschließend, nun schon etwas unterhalb des Startplatzes und sehr nahe am Hang, schoss der Schirm massiv vor und Volker wurde in das felsige Gelände geschleudert.
Der Zeuge landete umgehend in der Nähe der Unfallstelle und war etwa 15 Minuten nach dem Absturz bei Volker. Er konnte keine Lebenszeichen mehr feststellen.

Unfalluntersuchung
Überprüfung des Fluggerätes
Der Unfallschirm war, bis auf einen bei der Bergung durchtrennten Tragegurt, nicht beschädigt.
Der Rettungsschirm war nicht ausgelöst worden, der Griff befand sich noch an der vorgesehenen Klettbefestigung. Es gab keine Hinweise auf Auslöseversuche des Piloten. Eine Probeauslösung verlief problemlos.

Die Vermessung des Leinenlängen des Unfallschirms ergab Abweichungen zur Trimmung des DHV-geprüften Musters. Diese ließen vermuten, dass das Gerät schneller getrimmt war und bei den Testflugmanövern dynamischer reagieren würde. Drei Testflüge eines DHV-Testpiloten bestätigten dies. Das Gerät zeigte insgesamt ein dynamischeres Flugverhalten, das besonders bei beschleunigten seitlichen Einklappern nicht mehr klassentypisch für die Klassifizierung 2 war. 
Hinsichtlich einer Tendenz zum Verharren im Sackflug konnten jedoch keinerlei Auffälligkeiten festgestellt werden. Das Gerät beendete jeden provozierten Sackflug selbständig.
Der RA M von Volker war von einer Rückrufaktion der Fa. Nova betroffen, bei welcher Anfang Mai 07 alle zu schnell getrimmten RA M korrigiert werden sollten. Volker hatte jedoch nachweislich keine Kenntnis von der Tatsache, dass sein Schirm nachgebessert werden musste.

Auswertung des Fluginstruments Aircotec XC-Trainers
Das Gerät hat den ganzen Flug (34 Min) aufgezeichnet. Aus den Daten geht hervor, dass Volker kurz vor dem Absturz unbeschleunigt, allenfalls leicht beschleunigt gegen den Wind Richtung WSW geflogen war. Die Geschwindigkeit über Grund bewegte sich bei 28-31 km/h, der aufgezeichnete Wind betrug 10 km/h West. Windgeschwindigkeiten von um die 10 km/h aus westlicher Richtung lassen sich auch aus den aufgezeichneten Daten beim vorherigen Thermikkreisen feststellen: 24-28 km/h im Gegenwindteil, 44-48 km/h im Rückenwindteil des Kreises.
Ca. 60 m über Grund ist kurzzeitig eine deutlich erhöhte Sinkgeschwindigkeit von –6,8m aufgezeichnet, die sich aber innerhalb von 10 m Höhenverlust wieder normalisiert. Die Geschwindigkeit über Grund stieg in dieser Phase erhöhten Sinkens leicht an, die Flugrichtung wurde beibehalten. Ob es sich hierbei um eine Störung am Gleitschirm oder möglicherweise turbulenzbedingtes Sinken gehandelt hat, kann anhand der Daten nicht festgestellt werden.
Unmittelbar darauf, etwa 50 m über Grund, zeichnete das Gerät eine gegen Null abfallende Fluggeschwindigkeit über Grund auf, bei gleichzeitig stark ansteigender Sinkgeschwindigkeit. Über einen Höhenunterschied von ca. 30 Meter lag das Sinken zwischen 5 und 7 m/s. Etwa 15 m vor dem Aufprall wurde eine Sinkgeschwindigkeitsspitze von –15,2 m/s aufgezeichnet. Der Tracklog zeigt, dass unmittelbar vor der Bodenberührung eine 90° Grad-Drehung direkt zum Hang erfolgte.

Die Aufzeichnungen des Fluginstruments decken sich weitgehend mit den Angaben des Augenzeugen. Ab ca. 50 m über Grund war der Schirm im Sackflug/Strömungsabriss. Die Sinkgeschwindigkeitsspitze kurz vor der Bodenberührung kann mit Sicherheit als das dynamisches Anfahren aus dem Strömungsabriss interpretiert werden, das auch der Augenzeuge beobachtet hat.

Zusammenfassung
Die Unfallursache ist eine dynamische Schleuderbewegung des Schirmes in Bodennähe, verursacht durch das Anfahren der Kappe aus einem Sackflug/Strömungsabriss.
Wie der Schirm in den Sackflug/Strömungsabriss geraten war und warum er über ca. 5 Sekunden in diesem Flugzustand blieb, konnte nicht geklärt werden. Eine dem Sackflug/Strömungsabriss vorangegangene Störung des Schirmes war weder von dem Augenzeugen beobachtet worden, noch kann eine solche aus den Aufzeichnungen des Fluginstrumentes eindeutig abgeleitet werden.

Nach den vorliegenden Informationen ist ein Zusammenhang zwischen der zu schnellen Trimmung des Unfallgerätes und dem Sackflugzustand der zum Unfall führte nicht zweifelsfrei herzustellen.


Karl Slezak
DHV-Sicherheitsreferent
20.06.07